Seelische Unbeweglichkeit
Ausgangslage: Zunahme psychosozialer Belastungen
Gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung
Verwandeln Sie seelische Erstarrung in seelische Beweglichkeit!
Wir leben in einer von Verstand und Wissen geprägten Welt, sowohl privat als auch beruflich. In nahezu allen Bereichen unseres Wirtschaftslebens ist Wissensarbeit immer stärker gefordert. Doch indem wir unablässig mehr Wissen speichern, geraten wir in seelische Unbeweglichkeit. Dem Schweizer Psychoanalytiker Peter Schellenbaum zufolge war der Mensch vermutlich seelisch noch nie so unbeweglich wie heute.
Die seelische Unbeweglichkeit des heutigen Menschen hat Peter Schellenbaum eindrucksvoll beschrieben:
„In unserer Zeit drängen tote Rhythmen in wachsender Zahl gefühls- und rücksichtslos auf uns ein und überfluten die Wahrnehmung der natürlichen Rhythmen: Des Atems, des Herzschlages, der Schritte, des Wechsels von Tag und Nacht, der Windstöße, der Meeresbrandung, des Vogelgezwitschers usw. Achten Sie einmal darauf, wie viele mechanische Rhythmen Sie an einem einzigen Tag antreiben oder stören. … Die Verlorenheit unseres Körpers, das Zuschnüren unserer Empfindungen, das Einfrieren unserer Emotionen werden durch die zunehmende Beschäftigung mit Mechanik und Elektronik, Maschinen und Computern auch zu einem gesellschaftlichen Problem. Die Allgegenwart von an sich nützlichen Hilfsmitteln … übt eine unheimliche Wirkung auf unser Körpergefühl aus. Wir verlieren das Gespür für organisch variierende Rhythmen und Bewegungen. Unsere natürliche Beweglichkeit ist schwer beeinträchtigt. Dazu passt die zunehmende Reglementierung unseres Alltags. …“
Den Feststellungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zufolge gewinnen psychische Belastungen im Zuge des Wandels der Arbeitswelt an Bedeutung. Diese Belastungen können sowohl zu psychischen Störungen führen als auch zu körperlichen Erkrankungen wie Muskel-Skelett- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen. Verbreitete Folgen sind zudem Motivationsverluste, Arbeitsunzufriedenheit und Leistungsabfall bis hin zu Burnout sowie Suchtverhalten.
Der Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK Dachverband) berichtet in seinem Gesundheitsreport 2014 anschaulich von den durch psychische Leiden verursachten längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten. Danach zeigt sich in der längerfristigen Betrachtung die Dynamik der kontinuierlichen Steigerung bei psychischen Leiden: Als einzige Krankheitsart stiegen hier in nur einer Generation die Fehlzeiten um das Fünffache, von knapp einem halben Tag je Pflichtmitglied im Jahr 1976 auf 2,6 Fehltage im Jahr 2013. Durch die Aufnahme des Begriffs „psychische Belastungen“ in das Arbeitsschutzgesetz ist jeder Arbeitgeber nunmehr verpflichtet, psychische Gesundheit in das betriebliche Gesundheitsmanagement zu integrieren. Dies gilt für Unternehmen und öffentliche Verwaltung als Arbeitgeber gleichermaßen.
Prävention und Gesundheitsförderung weiterentwickeln
Der Gesamtverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV Spitzenverband) hat im Juni 2013 ein Positionspapier beschlossen. Es hat den Titel Prävention und Gesundheitsförderung weiterentwickeln.
Kompetenzen zur Stressbewältigung fördern
Angesichts der generellen Zunahme von psychosozialen und psychomentalen Belastungen sieht der vom GKV-Spitzenverband zur Umsetzung von §§ 20 und 20a SGB V erstellte Leitfaden Prävention als Handlungsfelder die Präventionsprinzipien der Förderung individueller Kompetenzen zur Stressbewältigung sowie der gesundheitsgerechten Mitarbeiterführung vor. Auch wenn das Arbeitsschutzgesetz um den Gefährdungsfaktor „psychische Belastung“ ergänzt wurde, bezweckt das Gesetz nicht, den Gesundheitszustand der Beschäftigten generell im Hinblick auf alle Lebensumstände zu verbessern. Die gesetzlich geforderten Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers betreffen ausschließlich Gefährdungen für die physische oder die psychische Gesundheit der Beschäftigten durch die Arbeit. Dort wo allerdings nicht mehr die objektiv tätigkeits- bzw. arbeitsplatzbezogene Gefährdungsbeurteilung als gesetzliche Aufgabe umgesetzt wird, sondern der einzelne Mitarbeiter zwar organisationsbezogen, aber doch vorrangig als Individuum in den Blick genommen wird, geht es um freiwillige Aktivitäten in der Gesundheitsförderung. Dieses freiwillige Arbeitgeberangebot bezieht sich mithin überwiegend auf verhaltensbedingte Maßnahmen für den Einzelnen zur Förderung der Leistungsfähigkeit und Leistungsmotivation.